Let´s meditate

… waren die Worte für die kleinen Gruppen vorne beim Meditations Lehrer Markus Hall, nachdem er den Fortschritt für die neuen Schüler abgefragt hatte.

Die letzten 10 Tage war ich im Meditations Zentrum in Triebel/Vogtland und habe dort täglich 10 Stunden meditiert. Ich meditiere seit ca. 5 Jahre, allerdings sehr unregelmäßig. Dennoch kann ich der damit verbunden inneren Ruhe viel abgewinnen und sehe darüber hinaus Vorteile im Alltag, wie bessere Konzentrationsfähigkeit, balanciertere Stimmung und mehr Gelassenheit. Im Dezember habe ich mich für 2 Kurse angemeldet und hab bei diesem eine Zusage bekommen.
So ein Kurs findet alle 14 Tage in dem Zentrum statt und wird mit jeweils 50 teilnehmenden Männern und Frauen im Zentrum durchgeführt. Dieser Kurs steht bei mir schon seit längerer Zeit auf der Agenda und dennoch muss ich sagen, dass ich vor und nach der Anmeldung keine richtige Ekstase dafür verspürt habe. Ich habe im Vorfeld natürlich jedem davon aufgeregt erzählt, aber natürlich hatte ich auch Zweifel, denn die Regeln, die dieser Kurs abverlangt sind nicht ohne:

Hier die 5 Regeln(frei von mir übersetzt):
1. Du darfst nicht stehlen
2. Du darfst nicht lügen
3. Du darfst keine sexuellen Fehlhandlungen begehen (Keine Ausübung sexueller Handlung in der Zeit)
4. Du darfst keine Lebewesen schaden/töten (vegan/vegetarische Kost)
Und für mich das Highlight: 5. Du darfst keine Kommunikation in irgendeiner weise zu Teilnehmern haben

Hierbei wird von der „edlen Stille“ gesprochen, die vom Anreiseabend ab 20:00 Uhr für die kommenden 10 Tage aufrecht gehalten wird. Das bedeutet, nicht reden. Darüber hinaus aber auch keinen anderen Kontakt, ob Augen- oder Körperkontakt. Alles streng untersagt.
Wichtig zu verstehen dabei ist, dass das keine Strafe oder Ähnliches ist, sondern einem helfen soll, sich ganz auf sich zu fokussieren. Hier der Tagesablauf, der so gut wie jeden Tag gleich war.
ablauf
Dieser hat schon echt in sich, da neben den angesprochenen 10 Stunden Meditation, der Tag bereits morgens um 04:00 Uhr mit einem Gong startet. Generell wird alles im Zentrum per Gong angekündigt. Man sagt, dass man sich bereits die paar Tage vor dem Kurs weniger Stress aufladen und bereits in eine entspanntere Alltagshaltung einkehren sollte. Ich hatte allerdings am Tag davor nen echten Horrorstress auf Arbeit und sogar am Anreisetag musste ich noch was tun. Naja, nicht die besten Vorzeichen. Allerdings dachte ich mir (nicht zum letzten Mal): „Für irgendwas wird es schon gut sein“.

Als den Mittwochvormittag ins Auto und die 400 Kilometer nach Triebel schruppen. Ich muss schon sagen, dass ich dolle unruhig vor dem Unbekannten war, aber nicht nur negativ unruhig, sondern so ein Gefühlscoctail aus Anspannung, Aufregung, Angst, Abenteuerneugierde und und und. Auch beim Ankommen im Zentrum hat das angehalten. Bei der Anreise checkt man ein und sieht zum letzten Mal alle 100 Teilnehmer beider Geschlechter. Vor-, während- und nach der Anmeldung darf sich natürlich noch fröhlich unterhalten werden. Und so kam ich zuerst mit Martin, einem Briten ins Gespräch und anschließend noch mit Marc, der bereits einmal den Kurs absolviert hatte. Beide machten einen sehr sympathischen Eindruck und wir quatschten so vor uns hin. Mein Händchen, die passenden Umstände anzuziehen, hat sich mal wieder bewahrheitet, da mir Martin als room mate zugeteilt wurde.
Jeder neue Schüler bekommt mit einem weiteren Schüler seines Geschlechts ein kleines Zwei-Personen Zimmer. Schüler, die bereits einen Kurs abgeschlossen haben, werden in sogenannten Zellen, also ein-personen-Räumen untergebracht. Die Unterkünfte für die neuen Schüler sind alle in einem größeren Gebäude, wo sie sich auch alle denselben Flur und Gemeinschafts Waschräume teilen. So ein bisschen wie in einer Jugendherberge. Es wurde natürlich strikt nach Geschlechter getrennt und auch auf dem gesamten Gelände gab es Sichtschutz Barikaden, damit jedes Geschlecht so wenig äußeren Reize ausgesetzt ist wie möglich. Auf dem Zimmer haben Martin und ich uns noch weiter unterhalten, wie es wohl sein wird, im Saal zu essen ohne dabei zu sprechen? Oder wie wir uns im Zimmer verständigen, wenn es um das Fenster, den Lichtschalter oder ähnliches geht? Es fühlte sich echt seeehr lebendig an, diese… Unruhe vor dem Unbekannten. Nun war es kurz vor 18:00 Uhr und wir versammelten uns alle zum ersten Mal in der Meditations Halle, die für die kommenden 10 Tage unser Arbeitsplatz sein wird.

Vereinfachter Aufbau der Halle:
unnamedJeder hatte also einen Platz zugewiesen bekommen. Dieser bestand aus einer kissenartigen Unterlage ca. 120x120cm. Zudem durfte sich aus der Vorhalle mit Kissen, Decken und Unterstützungspolstern eingedeckt werden, um die Meditationen so angenehm oder sagen wir lieber, so aushaltbar wie möglich zu machen. Am selben Abend wurden dann noch die beiden Lehrer und 2-3 Formalien angesprochen, aber dann ging es auch schon mit der ersten Stunde Meditieren los, so dass wir dann gegen ca. 20:30 Uhr zum Ausruhen geschickt wurden.

Nächster bzw. erster Morgen 04:00 Uhr – Goooong!
Der Gong morgens ging immer eine halbe Stunde vor dem Beginn der ersten Session, alle weiteren Gongs haben im Laufe des Tages die Sessions 10 Minuten vorher angekündigt.
Die Nacht war glaub ich irgendwie ok, denn ich war am Morgen ganz gut dabei. Es war aber schon nen uriges Gefühl, nach dem Frischmachen, dann im Dunkeln mit 50 anderen Mannen nach und nach zu der etwa 75 Meter entfernt liegenden Meditationshalle zu marschieren.

Und los geht’s: Minute eins der ersten Stunde… Irgendwie, ich weiß auch nicht. Es war nicht so besonders, wie ich es mir gedacht habe, und ehrlich gesagt, verliefen die ersten Stunden zur ersten Frühstückspause um 07:00 Uhr auch ganz zügig ab. Besonders beeindruckend fand ich aber vom Start weg diese Ruhe, wenn 100 Leute in einer Halle sitzen und ein gemeinsames Schweigen eintritt, welches erlebt werden muss. Ein Gefühl der Verbundenheit überkam mich und mir wurde angenehm warm. Im Vorfeld überlegte ich, mit welcher Sitzposition ich „ins Rennen gehe“. Dieses „ins Rennen gehen“-Gequatsche habe ich mir die 10 Tage über sehr häufig selbst zugeflüstert. Ich hatte mir eine Art Yogawurst mitgebracht, auf der ich im Schneidersitz ne gute Dreiviertelstunde sitzen konnte, das hat mir schonmal ne Menge Druck genommen. Allerdings sollte das nicht anhalten, denn es gab neben den einstündigen Gruppen Meditationen, auch zweistündige Meditationssitzungen. Klar, darf man da jederzeit seine Sitzposition verändern, Kissen nachstocken, aufstehen und auch aus der Halle draußen rumlaufen. Es wurde im Laufe des Kurses aber immer wieder betont, dass die meiste Arbeit im Sitzen geleistet werden sollte, da dies die reinste und effektivste Form der Meditation ist. Das Wort Arbeit viel in diesem Zuge sehr sehr häufig in diesen Tagen, weil Scheisse noch eins  – es ist Arbeit.

Genau wie Martin, habe ich fast von Anfang bis Ende die Gewohnheit gehabt, die Pausen, vor allem nach den Mahlzeiten, mit einer Ruhephase im Bett zu krönen. Was für eine Wohltat. Vor allem auch, weil der Körper dann endlich wieder grade und entspannt liegen konnte. Das Frühstück war ein Buffet aus Brot mit Aufstrichen und verschiedenen Cornflakes/Haferflocken/Porridge Variations Möglichkeiten. Mittags gab es immer irgendwas gemüsiges und ein kleines Salatbuffet. Nachmittags gab es dann für die neuen Schüler noch ein paar Früchte und heißen Apfelsaft mit Ingwer und Zimt. Alle drei Mahlzeiten über konnte sich auch Kaffee und Tee gemacht und in die Thermoskannen gefüllt werden.

Mal kurz zu den Hintergründen und Aufbau dieses Kurses:
In dem Kurs wurde die Vipassana Meditation nach S.N.Goenka gelehrt. Vipassana bedeutet sowas wie „Die Dinge sehen, wie sie wirklich sind“. Sprich, es geht ums Beobachten und um das nicht reagieren.

In den ersten zwei Tagen haben wir uns zuerst dem Beobachten des Atems gewidmet. Dies wird Anapana Atmung genannt. Du schaust dir selbst zu, dass du atmest und zwar geht es ausschließlich um den natürlichen Atem. Es geht nicht darum, in einer bestimmten Weise zu atmen, sondern so, wie er natürlich kommt und geht. Keine Bewertung, keine Veränderung – Nur Beobachten. Nach den zwei Tagen der Beobachtung des Atems, starteten wir mit den  Empfindungen unter, auf und in der Nase und den Nasenlöchern. Ab Tag 4 startet dann das eigentliche Vipassana, sprich: Die Beobachtung der Empfindung im ganzen Körper. Dafür gehst du mit deiner Aufmerksamkeit durch den ganzen Körper und nimmst einfach nur wahr. Du scannst deinen Körper, beginnend bei deiner Scheitelkrone und gehst über die Augen, Nase, Mund, Wangen, Hals weiter runter zu den Schultern, scannst erst den oberen und unteren Rücken, dann die Vorderseite, angefangen bei der Brust runter zum Bauch. Du nimmt die Arme mit auf das Radar deiner Aufmerksamkeit und gehst so Stück für Stück jeden einzelnen Körperteil durch, bis du nach dem Bauch an deinen Beinen vorbei unten an deinen Füßen und Zehen angekommen bist.

Auf dem Weg nimmst du einfach nur wahr, ob und welche Empfindungen du vorfindest.
Es kann sein,
dass du Druck auf/in deinem Kopf spürst
dass du Hitze im Gesicht spürst
dass du ein Kribbeln in den Fingern spürst
dass du ein ziehen im Bauch spürst
ein Wabern in der Brust
ein Klopfen an den Ellenbogen
ein Jucken (scheisse juckt und piekst mein Körper im Gesicht viel, man man man *g)

Oder du spürst einfach überhaupt nichts

Und jetzt kommt der wichtige Punkt bei der Ganzen Schose: Du darfst zu jeder Empfindung gleichmütig sein. Sprich, wenn es juckt – lass es jucken. Wenn es kribbelt – lass es kribbeln. Wenn du nichts spürst – ist halt so und du scannst den Rest des Körpers.

Gleichmut bedeutet nicht Gleichgültig sondern eher ein gelassenes Zulassen mit dem Wissen, dass alles stetig in Veränderung ist. Mach mal eben den Selbsttest. Setzt dich mal ruhig hin, entspanne dich, schließe deine Augen und schau mal, ob du im Körper, im Gesicht, auf dem Kopf, am Oberkörper eine Stelle spürst, die eins von den genannten Empfinden in dir auslöst und schau einfach mal zu. Wenn du es schaffst nicht darauf zu reagieren, wirst du feststellen,  dass sich die Empfindung verändert hat bis sie schließlich vorbeigegangen ist.

Das ist Gleichmut. Nicht reaktiv, sondern nur beobachtend mit dem Wissen der ständigen Veränderung.

S.N. Goenka begründet so das Elend in der Welt und jedes einzelnen. Das wir ständig mit zwei Zuständen dem Leben gegenüber reagieren. Entweder mit Verlangen nach mehr oder mit Abneigung. Ist eine Empfindung oder ein Gefühl schön, willst du es festhalten und nicht mehr gehen lassen (Erste Quelle deines Elends). Ist eine Empfindung bzw. Gefühl nicht schön, willst du es „weg haben“. Es soll anders sein, sprich: Abneigung, gegen das was ist.(Nächste Quelle für dein Elend).
Mit dem Üben des reinen Beobachten stärkst du deinen Gleichmut und wirst weniger reaktiv. Ein weiterer wichtiger Punkt in dieser spirituellen Lehre ist folgende:
Jeder von uns hat über sein Leben durchweg Sankaras entstehen lassen. Sankaras sind vereinfacht gesagt Unreinheiten. Diese Unreinheiten entstanden und entstehen fortwährend durch die Reaktion mit Verlangen oder Abneigungen gegen das, was gerade ist.
Wirst du kritisiert oder verlassen, fühlst du dich elend und verdrängst dieses Gefühl mit Ablenkung und diese elende Unreinheit sinkt tief in dein Inneres.
Wirst du gelobt und bekommst eine Gehaltserhöhung fühlst du dich stark und willst dieses Gefühl aufrecht erhalten solange es geht. Du ackerst noch härter, weil du dieses Gefühl wieder willst und fügst dir so eine weitere Unreinheit zu, weil dein Verlangen ungesund geworden ist.
Durch das Beobachten und das gleichmütige Aushalten des gegenwertigen Moments, bzw. der schönen/nicht schönen Empfindung im Körper, werden so Stück für Stück die Schichten, die die Sankaras bedecken, aufgelöst. Die Sankaras kommen durch das erneute schmerzliche/herrliche  Durchleben einer Situation an die Oberfläche und drücken sich in deinem Körper als Körperempfindung aus. Das ist der ganze Zauber. Lasse in deinem Körper alles zu und reinige dich selbst von innen. Du musst dafür nichts tun, einfach nur beobachten und nicht reagieren.
Werde Gleichmütig.

Jeden Abend um 19:15 Uhr gab es einen Vortrag, der die Technik und die Aufgabe für den nächsten Tag erklärte. Dieser Vorträge gingen etwas über eine Stunde und waren zu Anfang sehr informativ, ja richtiggehend motivierend. Ich weiß noch genau, wie der erste Vortrag mit „Der erste Tag ist vorüber. Und so werden auch Tag zwei und schließlich Tag 10 vorübergehen“ begonnen hat. Der erste Tag fühlte sich schon sehr sehr lang an und da war gerade mal Tag eina geschafft. Junge Junge, da wird einem schonmal warm ums Herz.

In den Tagen zwei und drei war ich allerdings noch richtig motiviert. Neben dem Meditieren, Essen und Ausruhen auf dem Zimmer gab es nichts zu tun. Ich hatte auch keinerlei Energie für irgendwas anderes. Außer Spazieren am angelegten Naturpfad direkt vor der Haustür. Das war eine schöne Abwechslung und eine tolle Gelegenheit, sich mit der Natur auf den gegenwärtigen Moment einzulassen. Jeden Schritt zu fühlen, die Natur, die Vögel, die Sonne zu spüren. Das hat schon Bock gemacht.

Bis zu Tag drei musste ich immer wieder meine Sitzpositionen anpassen, weil es auf Dauer einfach zu schmerzfhaft war. Am selben Tag hatte ich dann auch meinen Durchbruch, in dem mich meinen starken Schmerzen im Knie(Weil ewiges Sitzen im Schneidersitz irgendwann auch mal uncool für die Knie/Gelenke wird) nicht widerstanden und mich stattdessen voll drauf einlassen habe. Ich habe dem Schmerz gespürt und bin mit voller Aufmerksamkeit da rein. Gleichmütig und beobachtend. Der Schmerz war so so stark und nah irgendwie. Er hat sich zwar nicht komplett aufgelöst, bevor ich aus der Sitzposition raus bin, aber ich hatte ein starkes, stolzes Gefühl in mir, dass ich meine Schmerzgrenze verschoben und meinen Gleichmut gestärkt habe. Mit so einem dollen Motivationsschub konnten nun auch die nächsten Tage kommen, I was ready!

Nen ganz hübscher Zufall stellte sich noch am Nachmittag ein. Wenn man in der Halle am Meditieren ist, macht man auch mal ne Pause und ich hab dann auch immer mal die Augen geöffnet und rumgeschaut. Wollte wissen, wie die anderen so drauf sind und hab auch gesehen, dass sich auch drüben im Frauenbereich jemand gerade mit offenen Augen sitzt. Dann haben sich unsere Blicke getroffen. Jetzt musst du wissen, dass ich bis zu diesem Moment, die letzten drei Tage keinen einzigen Augenkontakt und schon gar nicht mit Frauen hatte. Ihr Gesicht war einfach so schön und freundlich, dass das die nächste Stunden und sogar Tage auch echt ein Problem wurde. Sie war nun nämlich in meinem Kopf, der bis dahin sonst sehr leer war. Ich habe dann fast jeden Tag immer wieder mal rüber gelunzt, aber sie hat nie wieder zur selben Zeit rüber geschaut. (Nach den 10 Tagen habe ich sie(Sophie) drauf angesprochen und sie hat sich sofort entschuldigt, dass sie sich nicht dran erinnern kann und das es keineswegs Absicht war. Wir haben dann anschließend sehr drüber gelacht).
Egal, diese Art der Verbindung hatte natürlich auch sein Schönes, keine Frage 😉

An dem Abend habe ich dann auch gemerkt, wie viel es ausmacht, wie viel Zeit zwischen der letzten Mahlzeit und der nächsten Meditation ist und wieviel du gegessen hast. Die ersten drei Tage konntest du mich für jede Session nach einer Mahlzeit vergessen, wenns ums Meditieren geht. Der Herzschlag ist mit der Verdauung beschäftigt, dass du somit komplett abgelenkt bist. Ich hab von da an also deutlich weniger gegessen und das hat gut funktioniert.
Tag vier begann allerdings mit einem Rückschritt. Als ich am Nachmittag durch den Körper scannte, spürte ich meine alter Schulterschmerzen wieder, die Anfang diesen Jahres viel meiner Lebensqualität gefressen haben. Na gut, vielleicht kamen die ja genau jetzt, weil sie eben dran waren zu lösen. Ich also wieder in den Schmerz rein (der von der Schulter, am Kopf vorbei bis runter in die Hand strahlte, was mich eh immer schon beunruhigte) und habe nur beobachtet. Allerdings wurde es jetzt ein wenig ruppiger. Ich hatte nach wie vor Knieschmerzen, dazu schliefen die Füße ein, der Rücken wurde hier und da steif, mein Gesicht war voll mit Jucken und die Schulter schmerzte bis in Hand. Es war einfach nur Pain. Pain Pain Pain. Niks anderes. Mein Körper fühlte sich an, wie ein riesiger Kriegsschauplatz. Überall wurde gekämpft und gelitten. Es war zu viel für mich. Ich konnte dieses Schmerzniveau nicht aufrecht erhalten und den restlichen Körper auf Empfindungen scannen. Ich konnte die Aufgabe nicht ausführen. Ich war gescheitert.

In der Pause habe ich mit dem Lehrer gesprochen(Mit dem Lehrer und den beiden Assistenzlehrern durfte man sich unterhalten). Ich habe ihm gesagt, dass es gerade sehr ätzend sei und so habe ich nach einer Rückstütze gefragt, um wenigstens den Schmerz aus Rücken und Knie zu bekommen, weil ich mich sonst kein Stück auf die anderen Körperemfpindungen einlassen konnte. Er stimmte zu und die ersten 1-2 Stunden anschließend waren auch gut damit. Bis ich dann Abends an Tag 4 im Bett lag und gezittert habe. Es war das gleiche Zittern was du hast, wenn du frierst. Allerdings habe ich nicht gefroren. Das Zittern war im ganzen Körper unterschwellig spürbar. Zusammen mit dem Herzschlag waren es die einzigen beiden Dinge, die ich gespürt habe. Es ist vergleichsweise mit dem heißen Draht, wo der Stab dauerhaft den Draht berührt. So lag ich da also… 21Uhr, 22:30Uhr, 23:30Uhr… das Zittern hielt an, konstant und ohne Veränderung. Ich wusste nicht, was ich machen sollte bzw. konnte und da wurde mir zum ersten Mal so eine richtige Ohnmacht bewusst, eine Angst, eine Hilflosigkeit, weil ich keine Optionen hatte.
So konnte es nicht bleiben. Ich würde kein Augen zubekommen und um 04:00 Uhr begann der nächste lange und sehr anspruchsvolle Tage für den Körper. Ich brauchte unbedingt diese Ruhe. Scheisse, ich wurde jetzt auch echt besorgt, was es mit dem Zittern aufsich hatte. Ich kannte das so nicht. Was machen?!?

Ich entschied mich schweren Herzens um Mitternacht aus dem Zimmer raus und bei den Assistenzlehrer an der Zimmertür zu klopfen. Ich brauchte Hilfe. Vorher ging ich noch etwas dem Flur hoch und runter. Wie konnte ich in so eine Situation kommen?

Ich musste ungelogen sechs mal Klopfen, bis jemand aufmachte.
Nachdem ich mich mehrfach entschuldigt und meine ernste Situation erklärt habe, bat ich um etwas manuelle Therapie. Da es sich wie eine physische Blockade der Schultermuskulatur angefühlt hat, dachte ich naiver Weise, dass durch ein bisschen Kneten und Drücken zumindest etwas Linderung eintritt. Dafür musste aber erst noch der Meditationslehrer mitten in der Nacht geweckt werden, um dem zuzustimmen. Zusammen gingen wir dann in einen weiteren Raum, ich legte mich hin und der Assistenzlehrer hat auf meine Anweisung etwas gedrückt. Es hat überhaupt nichts besser gemacht. Zudem sagte auch noch der Meditationslehrer, dass die A) nicht angehalten sind, körperlichen Kontakt Schülern zu geben und B) dass nach der Vipassana Lehre, wir genau das Gegenteil gerade machen. Wir/Ich wollte Veränderung, sofort! Also war da natürlich auch ein starkes Gefühl der Ablehnung gegen das, was gerade ist. Nämlich dieser krasse Schmerz und die Sorge, dass ich bald flöten gehe. Ich weiß es noch genau. Ich konnte nicht darauf vertrauen, dass Vipassana mir helfen würde und es sich hierbei vielleicht echt um ein körperliches Trauma handelt, was physische Unterstützung benötigt. Auf der anderen Seite, wollte ich unbedingt den Kurs weitermachen und den Anweisungen ordentlich folgen – ein echtes Dilemma.

Naja, diese Nacht war also nichts. Der Tag fünf war dann auch mein Tiefpunkt, weil ich natürlich keine Energie und wenig Optionen hatte, die mir helfen könnten. So saß ich also von morgens 04:30 Uhr in der Halle und habe mir innerlich einen zurecht gezittert und so gut es ging den Körper gleichmütig gescannt. Was ne krasse Herausforderung, fuck. Vor allem mit dem Gedanken, dass das nicht einfach so von sich aus besser wird, war das schon doof. Die Nacht auf Tag sechs war nen Traum, da ich diesmal abends vor dem zu Bett gehen 20 Minuten heiß geduscht und vor allem die Schulter ordentlich Entspannung geschenkt habe. Ich konnte diese Nacht durchschlafen und war am nächsten Morgen so freudig, weil sich die Schulter erstmal gar nicht meldetet und ich konnte „richtig“ meditieren. Gefühle der Selbstliebe und des „sich um mich  gut Kümmerns“ kamen hoch und waren so Wichtig. Ab Nachmittag allerdings kamen die Schmerzen in Schulter bis die Hand zurück und das alte Lied wurde gespielt. Es hieß einmal mehr: Durchhalten!
Und wenn ich was kann, ist es durchhalten. Das war eins der wichtigsten Erkenntnisse aus dem Kurs. Wie Buschi sagt „Aufgeben is nich!“ Um mir selbst etwas Trost zu schenken, habe ich mir eine Tafel Milka mit in den Kurs gebracht, wo ich jeden Tag nach den langen vierstündigen Sitzungen am Nachmittag aufs Zimmer gegangen bin und mich mit zwei Stückchen belohnt habe. Das alleine hat so viel gebracht.

Von Tag sieben an stand ich dann jeden Abend vor dem zu Bett gehen und teils um Mitternacht alleine und bedröppelt in der heißen plätschernden Dusche mit wenig Hoffnung auf Besserung. Was für eine Scheisse. Die Lust auf den Retreat verging gänzlich und die Leichtigkeit vom Anfang war komplett weg. Es hieß vor hier an wirklich nur noch durchhalten. Ich will es schaffen.

Die Gedanken haben sich mit jeder Session und mit jedem Tagesende immer nur noch um folgendes gedreht: „Wie cool wäre es, wenn heute schon das Ende von Tag acht wäre, dann sind es nur noch 1 1/2 volle Tage…“

An Tag neun habe ich auch schon nicht mehr alle Meditations Sessions mitgemacht, weil ich mich auf die Schonung meiner Schmerzen fokussiert habe. Dann lag ich da im Bett mit dem Wissen, dass die Anderen gerade in der Halle am Kämpfen sind und ich konnte einfach nicht mehr. Tag 10 war gekommen und hier durften wir ab 10:00 Uhr die edle Stille aufheben und in edles Reden übergehen. Das war schon ziemlich geil endlich mit Martin zu quatschen und sich auszutauschen, wie es ihm, aber auch den anderen ergangen ist. So hatten wir ca. drei Stunden bis zur Nachmittags Meditation Zeit, um zu quatschen. Die Trennung zwischen Mann und Frau wurde aufgehoben und es wurde eine schöne gesellige Runde auf der Terrasse, wo wir uns alle völlig entspannt zugequatscht haben. Jeder hat seine ganz eigenen Erfahrungen berichtet und die Stimmung war toll. Die Sonne schien dolle und wir haben in diesen 10 Tagen die schönsten Wetteränderungen erlebt, die man sich hätte wünschen können. Es gab Tage, da schien morgens die Sonne bei blauem Himmel und drei Stunden später setzte ein Schneechaos ein. Und das alles durften wir in dem kleinen Naturgebiet durchwandern und erleben – wunder wunderschön.

Der 10te Tag war dann auch echt unwichtig; wir alle wollten es gefühlt einfach nur noch beenden. Auch Abends beim gemeinsamen Abendbrot kamen tolle Gespräche zustande und ich habe dann Sophie auf ihren Blick von Tag drei angesprochen. :)

In der Nacht vom 10ten auf den 11ten Tag habe ich dann doch noch (m)einem Wunder beigewohnt. Ich lag abends gegen 22:00 Uhr im Bett und konnte wieder nicht schlafen. Ich habe ein paar Tage vorher aus den Vorträgen mitbekommen, dass Buddha auch nie richtig geschlafen hat, sondern ruhig im Bett lag und seinen Geist beruhigte. Das ist es wohl, was Schlaf ausmacht. Ruhe für den Körper und Ruhe für den Geist. Ich habe mich im Bett liegend auf meinen Körper fokussiert und eher ungewollt Vipassana praktiziert. Ich konnte spüren, wie ich leichte Muskelzuckungen an den schmerzhafte Stellen hatte… als würde ein Künstler mit einem Pinsel an den Stellen arbeiten oder viele kleine Helfer Heilung dort hinfahren. Ich war so nah dran, ich konnte es richtiggehend spüren, diese…diese… körperliche Intelligenz.
Ich war davon so fasziniert, dass ich nichts anderes gemacht habe. Vollkommen entspannt und neugierig habe ich dem Treiben zugeschaut und merkte, wie Linderung einsetzte. Der Körper ist echt ein Wunder.

Ab ca. 03:30 Uhr war ich dann so voller Vorfreude auf den Tag und das Erfahrene mit den Leuten vor Ort zu teilen, dass ich es gleich runtergeschrieben habe, neben 2-3 anderen wichtigen learnings aus dem Kurs. Um kurz vor 04:00 Uhr habe ich es mir dann auch nicht nehmen lassen, draußen live beim Gong zu stehen und durfte sogar auch mal drauf kloppen – weehaa. Das war ein sehr versöhnliches Ende der 10 Tage für mich.

Der 11te Tag war dann Abreisetag bzw. vorher gab es noch wie immer eine Morgenmeditation, die ich mir nicht entgehen lassen wollte. Ich habe mich von Anfang an in diese sehr gemütlich Atmosphäre morgens um 04:30 Uhr in der Halle gewöhnt, die von zwei Lichtspots  wunderschön untermalt wurden. Ich habe währenddessen immer wieder mal gelunzt, um diese beruhigende Beleuchtung zu bestaunen. Nach dem Frühstück wurde dann noch von den allermeisten und mir ein freiwilliger Dienst auf dem Gelände verrichtet. Ob es in der Küche putzen, draußen Laub fegen oder die Halle aufräumen war – Viele haben angepackt, um etwas zurück zu geben, denn der Kurs ist völlig umsonst und lebt ausschließlich von Spenden und freiwilligen Arbeiten. Außerdem musste aufgeräumt werden, da drei Tage später bereits der nächste Kurs startet.

Ich hatte dann aber auch richtig Bock, nach Hause zu fahren. Das Handy lies ich die ersten Stunden nach dem Auschecken noch ausgeschaltet, da ich die Ruhe nachhallen lassen wollte.

Am 10ten Tag hätte ich sofort Nein gesagt, ob ich einen Kurs wiederholen würde. Jetzt nach diesem genialen Ereignis und alles in allem war das schon nen cooles Experiment. Ich bekomme auch nicht mehr jedes Detail der letzten 10 Tage aufs Blatt hier, da auch schreiben und lesen in der Zeit untersagt war. Ich kann mir aktuell eine Wiederholung in einem Jahr gut vorstellen und bis dahin werde ich das mit der Schulter abklären und eine Meditations Routine im Alltag einbauen.
Ansonsten übernehme ich die gesunde Lebensweise mit in meinen Alltag. Auch das frühhere Aufstehen werde ich beibehalten, um den Tag zu nutzen. Und auch wenn ich ehrlicherweise ein bischen niedergeschlagen und enttäuscht vom Verlauf des Kurses bin, bin ich dankbar für die Lektionen die ich durchlebt habe und nie vergessen werde.

Freundliche Grüße an das Gesetz der ständigen Veränderung
Anicca
Anicca
Anicca

 

 

 

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